Mission Versorgung Glocknerbiwak 8./9.8.2015
Frisch Gesellen seid zur Hand
Heut‘ noch muß die Schachtel werden.
(Aus: Dokument zur Glocknerbiwakschachtel vom 6. Juli 1958)
Die Glockner Biwakschachtel braucht wieder Pflege
Die Ortsstelle (OS) Villach kümmert sich schon seit fast 60 Jahren um die Großglocknerbiwakschachtel am Glocknerwandkamp und ist in dieser Mission auch 2015 wieder mit acht Kameraden ausgerückt, um es zu warten, reinigen und mit neuen Decken und Pölstern zu versorgen.
Mit dabei war auch der ‚Biwakwart‘ Peter Perwein, der diese Aufgabe nun seit 20 Jahren inne hatte und mit diesem Jubiläum seine Verantwortung auf einen nachkommenden Kameraden übergeben wird.
Die Verhältnisse sind außergewöhnlich
Bei wunderbarem Wetter und ebensolchen Aussichten starteten die Kameraden der OS Villach am Samstag um 0530 von der Gerätekammer aus in Richtung Franz-Josefshöhe und gelangten rasch an den Ausgangspunkt der Tour. Aufgrund der ungünstigen Verhältnisse im Frühjahr wird diese, normalerweise im Frühling und auf Skiern durchgeführte Tour heuer im Hochsommer geplant.
Mit Sack und Pack ging es in Richtung Oberwalderhütte; rasch schon wurde klar, dass die Verhältnisse für das Unternehmen außergewöhnlich waren. So herrschten bis über 3.000 m Temperaturen um 10-15° Celsius.
Trotz kurzem Regenschauer und grollendem Donner war das Ziel der ersten Tagesetappe, die Oberwalderhütte über das südliche Bockkarkees und ein paar Steinstufen schnell erreicht.
Drohend war aus der gegenüberliegenden Glocknerwand bzw. den darunterliegenden Eisbrüchen Stein- und Eisschlag zu hören; naja, es war ja auch schon nach Mittag und der Vormittag ein sehr Heißer.
Zuerst wird einmal trainiert
Wie immer wird auch der Ausbildungscharakter gepflegt und so wird der Nachmittag für (Seil-) technische Übungen genutzt. Im Vordergrund steht die Spaltenbergung Es geht darum den Fangsturz zu erleben, einen Standplatz mit "Totem Mann" zu errichten und im Weiteren einen angenommenen Verletzten aus einer Gletscherspalte zu bergen: Abseilen zum Verletzen mit Selbstseilrolle, Anbringung eines behelfsmäßigen Gurtes, Aufprusiken zum vorgelagerten Stand und Bergen des Verletzen über eine Seilrolle.
Eine mutige Entscheidung
Am nächsten Tag und nach einer vorzüglichen Versorgung durch das Team der Oberwalderhütte machen wir uns auf den Weg Richtung GBS. Es liegen viele Kilometer und Stunden auf dem Eis und im Fels vor uns. Die Steigeisen werden sorgfältig montiert und der Pickel ist – gerade nach den Erlebnissen am Vortag unser treuer Begleiter.
In einer Dreier- und Viererseilschaft ziehen wir über die teils auf Schnee, teils auf Blankeis verlaufende Route und müssen immer wieder durch kleine Spaltenlabyrinthe manövrieren. Prompt brechen zwei Kameraden bis zum Bauch ein und werden sicher und auf gespanntem Seil umgehend wieder auf die Beine gebracht.
Wir gelangen auf unserer Route über dem Hufeisenbruch weiter unter dem Teufelskampkees bis unter das Glocknerkees.
Immer näher kommt auch der Einstieg in den Fels, von dem aus wir uns den gangbaren Weg auf die GBS erwarten. Gleichzeitig sehen wir frische Eisblöcke auf unserer Route; phasenweise pfeifen kleine Steine den Hang herunter und schaffen es mit etwas Schwung noch in unsere Spuren, die mit ausreichendem Abstand zum Steilgelände verlaufen.
Endlich – und nach langem Zustieg am Eis bekommen wir ein klares Bild über den weiteren Anstieg zur GBS; ein ernüchterndes Bild, das uns nach kurzem Beratschlagen in der Gruppe zu einem klaren ‚STOP‘ kommen lässt.
Wir kommen wieder
Rasch beginnen wir mit dem Abstieg um kein weiteres Risiko eines Stein- oder Eisschlags ausgesetzt zu werden. Der Zustieg hat sich in den letzten Jahren aufgrund der Ausaperung deutlich verändert. Wir gelangen über Toteis und Schuttmoränen über teils steiles Gelände auf die Pasterze und sind froh aus der Gefahrenzone wieder auf sicheren Boden zu gelangen. Wir sind einerseits enttäuscht unsere Mission nicht erfüllt zu haben und mit den Decken und Pölstern wieder in Richtung Franz-Josefshöhe zu ziehen und wissen doch ganz klar, dass wir eine mutige und richtige Entscheidung getroffen haben.
Fast schon erleichtert kommen wir dann in ungewohnt warmen Temperaturen am Ende der Pasterze an und ‚schwitzen‘ uns wieder zum Parkplatz hinauf, wo wir die schweren Rücksäcke und unser Material sortieren und ins Auto packen.
Nach einer Nachbesprechung am Glocknerhaus ziehen wir wieder Richtung Heimat und sind uns einig: Wir kommen bei besseren Verhältnissen im Herbst wieder um unser Vorhaben zu vollenden und eine Übergabe der Funktion des Wartes der Biwakschachtel von Peter Perwein auf Rudi Katholnig zu zelebrieren.
Hintergrund zur GBS
Die Glockner Biwakschachtel wurde durch Freiwillige des Bergrettungsdienstes der OS Villach geplant und in tragbaren Einzelteilen gefertigt. Die maßgebliche Planung und Herstellung entstand unter Leo Spannraft als Gerätewart mit tatkräftiger Unterstützung von Johann Perwein als Ausbildungsleiter und Karl Kucher als Ortsstellenleiter.
Es steht an einem sorgfältig ausgewählten Platz am Glocknerwandkamp und hat da wohl schon vielen Hundert Bergsteigern einen sicheren Unterschlupf gewährt, die sich in die Nordrouten des Groß Glockners begeben haben.
Die Volkszeitung schreibt zum Anlass der Errichtung am Sonntag, den 6. Juli 1958:
„Am 5. Juli 1958 war der ‚Tag X‘ herangekommen, um die in ihre Bestandteile zerlegte Hütte in 3.200 Meter Höhe auf den Glocknerwandkamp, wo sie nächst dem inneren Glocknerkar zur Aufstellung gelangt, zu transportieren. Viele begeisterte Bergsteiger haben sich als Träger zur Verfügung gestellt und so Zeugnis gegeben von dem hohen Geist, der auch heute noch in Bergsteigerkreisen waltet. Aus allen Teilen Kärntens und auch aus Salzburg kamen willige Helfer, die die Lasten auf dem Rücken hinaufgeförderten. Um 3 Uhr früh brach die Trägerkolonne von der Hoffmannshütte aus auf. Der beschwerliche Weg führte über die Pasterze durch den Eisbruch des inneren Glocknerkars zum Aufstellungsort.“
Mehrere An- und Zubauten erfolgten in den nunmehr fast 60 Jahren; verantwortliche Biwakwarte waren außerdem Anton Lindermuth und der noch amtierende Peter Perwein.
Text: G. Ludescher, Photos: P. Steiner, H. Ludescher